Thomas Jenny

Vergangenes Wochenende wäre die Bad Bonn Kilbi über die Bühne gegangen. Sie fiel ins Wasser – im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Bericht über eine Totenfeier, die quasi im Geheimen stattgefunden hat.

Düdingen

Die ungeborene Bad-Bonn-Kilbi wurde würdig zu Grabe getragen

«…und der Kilbi-Geist schwebte über dem Wasser»: Ein biblischer Coup gelang den Machern der Bad-Bonn-Kilbi, die nicht stattfand, am Samstag, an dem sie stattgefunden hätte, mit einem Event, von dem kaum jemand wusste, dass es stattfände.
Der Reihe nach: Ein herber Schlag für alle, die sich etwas aus alternativer Musik machen, als die Bad-Bonn-Kilbi zum zweiten Mal in Folge diesmal wenigstens nicht abgesagt, aber in den September verschoben wurde. Allerdings liessen es sich die Organisatoren rund um Daniel «Duex» Fontana nicht nehmen, die ungeborene Kilbi würdig zu Grabe zu tragen – und zwar mit dem besten Schutzkonzept überhaupt: Niemandem etwas davon erzählen!

Alte Bekannte im selben Boot

Gerüchte hatten die Runde gemacht: Es fände samstags um zwei etwas statt, unten am Strand. So genau wusste niemand etwas; offizielle Ankündigung gab es keine.
Samstags um zwei unten erwartete einen zunächst – nichts. Der Schiffenensee lag träge herum wie gehabt. Doch dann: Sakral anmutende Hallfahnen, von den Felswänden zurückgeworfen und um ein Vielfaches multipliziert, umwehten das Dutzend halbwegs Eingeweihter, die sich eingefunden hatten. Schliesslich: Eine Handvoll Boote, das Hauptschiff, auf dem die Musik spielte, umschwärmt von einer kleinen, grosszügig mit Lautsprechern bestückten Flotte – und sofort war die Handschrift von Bernhard Zitz erkennbar, der mit den akustischen Performances seines Lautsprecher-Orchesters schon fast traditionellerweise die Kilbi eröffnet.

Zoophilie und Sintflut-Rave

Die ständige Bewegung der Boote entbarg immer neue Sedimente in den flächigen Bass-Spielereien von Martina Berther, auf denen die Stimme Noëmie Somalvicos thronte, die eine vordergründig absurde Geschichte mit symbolischer Anschlussfähigkeit vorlas. Da verliebte sich die Erzählerfigur – in einen Dorsch. 


Wo die Zuschauer dem zunächst in brütendem Sonnenschein beiwohnten, türmten sich, gerade als der erste Teil der Performance zu Ende ging und der synthetische Ambient von Dianita Kreise zu ziehen begann, gewaltige Wolkengebirge auf. Begleitet von Blitz, Donner und sintflutartigen Regenfällen suchten die Schiffe ihr Heil in der Flucht – immer noch Synthesizer-Flächen in den Äther pustend. Ein passenderes Ende wäre nicht zu denken gewesen.

Nur noch Ankündigungen sind wichtig

Debriefing in den Hallen des Bad Bonn. Er habe den Künstlern freie Hand gelassen und sich mit seiner Equipe aufs Umsetzen beschränkt, sagt Daniel Fontana. «Diese Energie ist hier eh immer vorhanden», meint er. Aber warum keine Ankündigung? «Es ist gar nicht wichtig, dass es viele Leute sehen», so Fontana, «es schwirrt ohnehin viel zu viel Kommunikation umher.» Kein Satz, den man vom Programmator eines Clubs erwartet, der auf Sichtbarkeit angewiesen ist. «Im Moment gehts eh nur um Ankündigungen; Ankündigungen sind der Peak der Anlässe geworden und eigentlich sollten doch Konzerte der Peak sein», schiebt Fontana nach.

Geschuldet ist dies den Umständen, die eine vernünftige Planung verunmöglichen. «Alle buchen schon 2023 und sind voller Panik», meint Fontana. Agenturen, Managements und Bands suchten verzweifelt, in einer Konzertsaison unterzukommen, die aus den Nähten zu platzen drohe. Klar, dass bei dem Angebot die Versuchung gross sei, das Boot zu überfüllen: «Ein Konzert nicht zu machen, ist das Schwierigste als Veranstalter.» Fontanas Mittel gegen diese Versuchung? «Ich lasse bewusst Platz. Ich werde kurzfristiger buchen; ich will die Leute überraschen – und auch uns selber.» Mit der gewasserten Kilbi ist die Überraschung zumindest schon mal gelungen.