Nothelfer in Libyen tödlich verunglückt – weitere Dämme in Gefahr
Bengasi
In Libyen sind eine Woche nach der verheerenden Sturm- und Dammbruchkatastrophe womöglich zwei weitere Dämme in Gefahr. Das UN-Nothilfebüro OCHA äusserte am Sonntagabend Sorge über den Dschasa-Damm zwischen der teils zerstörten Stadt Darna und Bengasi und den Kattara-Damm nahe Bengasi. Berichte über die Lage seien widersprüchlich. Nach Angaben der Behörden seien beide Dämme in gutem Zustand und funktionierten. Am Dschasa-Damm würden nach Angaben der Behörden Pumpen installiert, um den Druck von der Staumauer zu nehmen, so OCHA.
Zwei Dammbrüche hatten in der Nacht zu vergangenen Montag in der Hafenstadt Darna schlimmste Zerstörungen angerichtet. Tausende Menschen sind ums Leben gekommen, Tausende werden noch vermisst. Genaue Zahlen haben die Behörden bislang nicht. Die Stadt hatte vor der Katastrophe rund 100.000 Einwohner.
Die Rettungsarbeiten wurden am Sonntag durch einen schweren Unfall überschattet: Mindestens vier griechische Nothelfer und drei Angehörige einer libyschen Familie kamen dabei nach Angaben der Behörden in Ostlibyen ums Leben. 19 griechische Retter waren auf dem Weg nach Darna, als ihr Kleinbus mit dem Wagen einer fünfköpfigen Familie zusammenstiess. 15 Personen wurden teils schwer verletzt. Der griechische Generalstab bestätigte am späten Sonntagabend zunächst drei Todesfälle. Zwei weitere Mitglieder des Rettungsteams würden vermisst, hiess es in einer Mitteilung auf Facebook.
Die Verzweiflung bei den Bewohnern ist weiter gross. Zehntausende Menschen warten weiter auf Nachricht über ihre vermissten Angehörigen und auf Hilfe in der Not. Nach Angaben einer BBC-Reporterin hängt der durchdringende Geruch von verwesenden Leichen über Darna. Am Strand türmten sich Betonteile, Reifen, Kühlschränke und Autos, die mit Wucht ins Meer gespült und dann wieder angeschwemmt worden waren. Aus den Schuttbergen würden immer noch Tote geborgen. Nach Angaben von Taufik al-Schukri, dem Sprecher des Roten Halbmonds, sind aber am Samstag aus eingestürzten Gebäuden auch noch Überlebende geborgen worden. Wie viele, konnte er im Gespräch mit dpa nicht sagen.
Die Opferzahlen sind auch eine Woche nach der Katastrophe weiter unklar. Das UN-Nothilfebüro (OCHA) sprach am Wochenende zunächst von rund 11.300 Toten in Darna und weiteren 10.100 Vermissten. Zudem seien 170 Todesfälle aus anderen Regionen im Osten des Landes gemeldet worden. OCHA bezog sich auf den Roten Halbmond, wie Rotkreuzgesellschaften in muslimischen Ländern oft heissen. Der Sprecher des Roten Halbmonds sagte aber, er wisse nicht, woher die Zahlen stammten. In einer späteren Version des Lageberichts liess OCHA diese Angaben wieder fallen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden bis Ende vergangener Woche rund 4000 Todesopfer identifiziert und mit Totenscheinen registriert.
Zwar treffen in dem armen, vom jahrelangen Bürgerkrieg gezeichneten nordafrikanischen Land über den Flughafen Bengasi immer mehr Hilfsgüter ein. Aber von dort ins Katastrophengebiet sind es Hunderte Kilometer. Viele Strassen und Brücken sind zerstört und Konvois mit Hilfsgütern bleiben in kilometerlangen Staus stecken, wie Caroline Holt, globale Einsatzleiterin der Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, auf der Plattform X (früher Twitter) berichtete. Die Verteilung von Essen, Medikamenten, Planen und anderem bleibt schwierig. Helfer dringen nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen darauf, dass die Einsätze besser koordiniert werden.
Die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist durchgekommen. Sie verteilte in Kooperation mit den Gemeinden in den Orten Shahat und Bayda Babynahrung, Zelte, Generatoren, Decken und Wasser, wie der deutsche Botschafter in Libyen, Michael Ohnmacht, auf X berichtete.
Nach Schätzungen der UN-Organisation für Migration (IOM) haben insgesamt mehr als 40.000 Menschen ihre Bleibe verloren. Die Zahl liege wahrscheinlich deutlich höher. In vielen der schwer getroffenen Gebiete seien noch keine Zählungen möglich gewesen.
Aus Sorge über die Ausbreitung von Krankheiten wie Cholera wies die Regierung in der Hauptstadt Tripolis die Wasserwerke an, Trinkwasser zu verteilen. Bis Samstag wurden etwa 150 Durchfallerkrankungen gemeldet durch verschmutztes Trinkwasser gemeldet, sagte der Leiter des Zentrums für Krankheitsbekämpfung, Haidar al-Sajih.
Der libysche Staatsanwalt Al-Sedik al-Sur hat wegen der Dammbrüche Ermittlungen aufgenommen. Die Dämme sollen Risse gehabt haben, und es soll Geld für die Instandhaltung bereitgestellt worden sein. Der Staatsanwalt will den Verbleib der Gelder nun klären, wie er sagte.