Spannungen mit Kosovo: USA fordern Serbien zur Deeskalation auf

Keystone-SDA

Washington/Belgrad

Angesichts wachsender Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo haben die USA die serbische Seite zur sofortigen Deeskalation aufgefordert.

Washington äusserte sich am Freitag (Ortszeit) besorgt über einen ungewöhnlichen serbischen Truppenaufmarsch an der Grenze zum Kosovo. US-Aussenminister Antony Blinken telefonierte mit Serbiens Staatspräsidenten Aleksandar Vucic, wie das US-Aussenministerium am Freitag in Washington mitteilte.

Laut der serbischen Nachrichtenagentur Tanjug bestritt Vucic, grössere Militäreinheiten an der Grenze zum Kosovo zusammengezogen zu haben. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sprach hingegen von einem "beispiellosen" Aufgebot von Artillerie und Panzern. "Wir fordern Serbien auf, diese Truppen an der Grenze abzuziehen", sagte Kirby in Washington.

Nach dem Überfall vom vergangenen Sonntag im Nordkosovo verlangte Blinken in dem Telefonat, dass die Verantwortlichen, die sich derzeit in Serbien aufhielten, zur Rechenschaft gezogen werden. Blinken begrüsste, dass die Nato die Entsendung zusätzlicher Streitkräfte in das kleine Balkanland genehmigt habe.

Kosovos Regierungschef Albin Kurti bat die USA auf der Plattform X, früher Twitter, um Hilfe gegen Belgrads "Kriegspläne". Demnach telefonierte Kurti mit dem Berater für nationale Sicherheit in den USA, Jake Sullivan.

In dem Telefonat mit Blinken bezeichnete Vucic die Vorwürfe aus Washington laut Tanjug als "Unwahrheiten". Mit Blinken sei er sich einig, dass eine Deeskalation und eine "deutlich grössere Rolle der KFOR erforderlich" seien, hiess es unter Hinweis auf die Nato-Schutztruppe für das Kosovo. Blinken rief Serbien auch auf, seine Verpflichtungen aus dem Normalisierungsabkommen umzusetzen.

Das heute fast ausschliesslich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen die Unabhängigkeit an, nicht aber Serbien, das seine einstige Provinz zurückfordert.

Das von der EU vorgeschlagene Normalisierungsabkommen sieht vor, dass Serbien de facto, aber nicht de jure, das Kosovo anerkennt. Im Gegenzug soll Kosovo die Bildung eines Verbandes der ethnisch serbischen Gemeinden im Nordkosovo zulassen. Pristina sieht in diesem Punkt allerdings die Vorstufe zu einer Abspaltung.

Die neuen Spannungen hatten am Sonntag ihren Höhepunkt erreicht: Ein 30-köpfiger, schwer bewaffneter serbischer Kommandotrupp hatte sich in der Ortschaft Banjska bei Mitrovica im Nordkosovo Kämpfe mit der kosovarischen Polizei geliefert. Dabei waren drei serbische Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet worden.

Der kosovo-serbische Spitzenpolitiker und Geschäftsmann Milan Radoicic bekannte sich zu diesem Überfall. Er behauptete, die Aktion auf eigene Faust ausgeführt und keine offiziellen Stellen in Serbien darüber informiert zu haben. Hingegen hält es die Regierung in Pristina für ausgeschlossen, dass Radoicic auf eigene Faust handelte. Wo sich Radoicic befindet, ist unbekannt.

Der Nordatlantikrat, das wichtigste Entscheidungsgremium der Nato, genehmigte indessen die Entsendung zusätzlicher Streitkräfte in das kleine Balkanland, wie das Bündnis in Brüssel mitteilte. Über die Zahl der zusätzlichen Soldaten machte es keine Angaben.

Die KFOR ist seit 1999 für die Gewährleistung der Sicherheit in dem Land zuständig. Derzeit gehören ihr nach jüngsten Angaben etwa 4500 Soldaten aus 27 Nato-Ländern und Partnerstaaten an. Deutschland nahm zuletzt mit rund 80 Soldaten am KFOR-Einsatz teil.