- Text : Christiane Fux
- Lesedauer : 4 Minuten
Forschende um Janet Choi von der University of Southern California haben Daten aus den Jahren 1999 bis 2012 der „National Health and Nutrition Examination Survey“ von rund 10.000 Erwachsenen ausgewertet. Sie alle hatten sich einem Hörtest (Audiometrie) unterzogen und einen Fragebogen zur Nutzung von Hörgeräten ausgefüllt.
Viele Schwerhörige nutzen nie ein Hörgerät
1.863 der Teilnehmenden litten unter einem Hörverlust. Der Großteil von ihnen, nämlich 1.483 Personen, gab an, noch nie Hörgeräte getragen zu haben.
Nur 237 nutzten die Geräte „regelmäßig“. Für diese Einstufung mussten sie die Geräte mindestens an einem Tag pro Woche oder verteilt über fünf Stunden pro Woche tragen. Hörgeräteexperten empfehlen allerdings, die Geräte täglich zu nutzen, und zwar den ganzen Tag.
143 Schwerhörige trugen ihre Geräte seltener als einmal im Monat. Diese stuften die Forschenden als „unregelmäßige Nutzer“ ein.
Die Ergebnisse glich das Team mit den Sterbedaten der Teilnehmenden ab. In einem Nachbeobachtungszeitraum von zehn Jahren waren 13,2 Prozent von ihnen verstorben.
Sterberisiko um 24 Prozent reduziert
Wir haben herausgefunden, dass Erwachsene mit Hörverlust, die regelmäßig Hörgeräte tragen, ein um 24 Prozent geringeres Sterberisiko haben als diejenigen, die sie nie tragen
Studienleiterin Janet Choi von der University of Southern California
Aber auch die „unregelmäßigen Nutzer“ profitierten nicht von dem sporadischen Gebrauch.
Dieser Unterschied zwischen Hörgeräte-Trägern und Nicht-Trägern fanden die Forschenden unabhängig vom Grad des Hörverlusts, vom Alter und der ethnischen Zugehörigkeit.
Allerdings hatten Hörgeräte-Träger insgesamt einen höheren sozioökonomischen Status und weniger medizinische Begleiterkrankungen. Diese Einflüsse auf das Sterberisiko berücksichtigten die Forschenden bei ihren Berechnungen.
Schwerhörigkeit ist ein Gesundheitsrisiko
Warum Teilnehmende, die ihre Hörgeräte nicht tragen, ein höheres Sterberisiko hatten, kann die Studie zwar nicht klären. Doch gibt es eine Reihe plausibler Einflussfaktoren. Tatsächlich kann sich ein Hörverlust auf unterschiedliche Weise negativ auf die Gesundheit auswirken.
Die fehlenden Reize über den Hörnerv könnten den Abbau von Hirnsubstanz begünstigen – und das wiederum eine Demenz, die das Sterberisiko erhöht. Hinzu kommt ein weiterer wichtiger Faktor: soziale Isolation. Fehlende soziale Kontakte sind ein bekannter Risikofaktor für Alzheimer. Und eben diese können durch eine Schwerhörigkeit, insbesondere wenn diese nicht mit Hörgeräten ausgeglichen wird, stark eingeschränkt werden. Wer dauernd nachfragen muss oder nicht mehr mitbekommt, was die anderen in der Runde reden, zieht sich zurück. Umgekehrt sinkt auch die Lust der Mitmenschen, mit dem schwerhörigen Gegenüber zu kommunizieren.
Wie Schwerhörigkeit Demenz begünstigt
Tatsächlich hat eine fast zeitgleich erschienene dänische Studie nun auch den Zusammenhang zwischen schlechtem Hören und Demenz bestätigt. Sie basiert auf Daten von mehr als einer halben Million Menschen. Im Vergleich zu Personen mit gutem Hörvermögen war das Risiko einer Demenz-Erkrankung für Schwerhörige deutlich erhöht: für jene, die keine Hörgeräte einsetzten, um 20 Prozent, für jene, die Hörgeräte trugen, um 6 Prozent.
+ 20 %
Risiko für
Demenz-Erkrankung
Soziale Isolation: Risikofaktor für psychische Erkrankungen
Doch Demenz ist nicht die einzige Folge von sozialer Isolation: Auch psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen treten eher auf, wenn Menschen sozial nicht gut eingebunden sind. Und auch diese seelischen Störungen erhöhen das Risiko für einen vorzeitigen Tod, das weiß man schon lange.
Denn psychische Erkrankungen erzeugen Stress – und sie wirken sich ungünstig auf den Lebensstil aus. Die Betroffenen vernachlässigen ihre Ernährung, bewegen sich häufig zu wenig, vergessen ihre Medikamente oder konsumieren Alkohol, um Ängsten und anderen negativen Gefühlen zu entfliehen. All das sind Faktoren, die die Lebenserwartung reduzieren.
Wenn man den Arzt nicht mehr versteht
Und noch ein weiterer, ganz simpler Grund könnte sich auf die Lebenserwartung von Menschen auswirken, die schlecht hören, mutmaßen die Forschenden: Sie könnten ärztliche Anweisungen häufiger missverstehen – und so im Falle einer Erkrankung weniger gut versorgt sein.
Nun lassen sich die Zahlen der US-Studie nicht ohne Einschränkungen auf Länder mit gesetzlicher Krankenversicherung übertragen. Eine Befragung der EuroTrak-Hörstudie 2022 zeigt jedoch für das Beispiel Deutschland, dass auch in der Bundesrepublik viele Menschen, die ein Hörgerät benötigen, nicht damit versorgt sind. Die Umfrage unter 1.300 Personen ergab, dass nur 41 Prozent aller Teilnehmer mit Hörminderung ein Hörgerät besaßen.
Ungeliebte Hörhilfen
Hinzu kommt: Dass eine Person Hörgeräte besitzt, heißt noch lange nicht, dass diese auch ausreichend getragen werden. Ein Grund dafür ist Eitelkeit – das Tragen eines Hörgeräts wird häufig als Kapitulation vor dem Alter empfunden. Diese Hürde schwindet jedoch, seit Hörgeräte zunehmend kleiner und unauffälliger werden.
Allerdings ist auch das ungewohnte Hörerlebnis mit den Geräten eine Hürde: Viele empfinden den Klang zunächst als unangenehm. Zudem wird mit Hörgeräten die Welt plötzlich wieder laut. Bis man sich daran gewöhnt hat, braucht man Geduld.
Wer zu spät ein Hörgerät nutzt, verliert seine Hörfähigkeit auf Dauer
Dabei ist vielen Menschen nicht klar, dass der frühzeitige Einsatz von Hörgeräten noch einen weiteren entscheidenden Vorteil hat: Die Geräte verhindern, dass sich die entsprechenden Verarbeitungszentren im Gehirn zurückbilden, weil sie nicht mehr gefordert sind. Auf manchen Frequenzen bleibt es dann trotz Hörgerät für immer still.
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